Die Bauingenieurin Nicole Kölbener war auf der Baustelle Zugangsstollen Süd des neuen Gotthard-Strassentunnels tätig und arbeitet aktuell im Brenner-Basistunnel. Als Produktionsleiterin Vortrieb bei der Marti Tunnel AG führt sie Teams von 40 bis 60 Personen, die unter extremen Bedingungen im Tunnelbau arbeiten. Die Arbeitssicherheit und eine gesunde Führung haben dabei einen hohen Stellenwert.
Nicole Kölbener: Die Arbeit auf einer Baustelle erlebe ich als sehr arbeitsintensiv. Auch psychisch ist man gefordert. Geregelte Tagesabläufe sind die Ausnahme. Mein Arbeitsalltag erfordert eine hohe Flexibilität. Wenn Probleme auftreten, haben diese oberste Priorität. Niemand will, dass sich die Produktion verlangsamt oder gar zum Stillstand kommt. So kann ich an einem Arbeitstag des Öftern keinen einzigen Punkt von meiner To-do-Liste erledigen. Dafür kommen noch drei weitere dazu. Ein beständiger Begleiter ist auch das Wissen, dass Unachtsamkeiten und Fehler schwere Konsequenzen haben und zu Unfällen führen können.
Nicole Kölbener: Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden hat oberste Priorität. Personalkosten sind ein riesiger Kostenfaktor. Deshalb versuchen wir, die Arbeit mit einem Minimum an Personal auszuführen. Dies bedingt jedoch, dass die einzelnen Mitarbeitenden gesund und leistungsfähig sind. Ausfälle aufgrund von Krankheit oder Unfall führen zu einer noch höheren Arbeitsbelastung des verbleibenden Personals. Dieser Stress kann zu weiteren Ausfällen führen und birgt auch weitere Unfallrisiken.
Nicole Kölbener: Gut organisierte Arbeitsabläufe führen zu weniger Stress. Ich konzentriere mich deshalb besonders auf das Gestalten der Arbeitsabläufe. Damit meine ich, dass die Arbeitsplätze so eingerichtet sind, dass die Anzahl nötiger Handgriffe auf ein Minimum beschränkt ist und die Mitarbeitenden nicht gegen die Hand arbeiten müssen. Unsere Mitarbeitenden arbeiten bereits unter einem hohen Zeitdruck. Wenn noch schlecht strukturierte Abläufe dazukommen, ist die Belegschaft zusätzlichem Stress ausgesetzt. Dies versuche ich zu vermeiden.
Nicole Kölbener: Genau. Im Tunnelbau übernachten viele Mitarbeitende unter der Woche vor Ort und fahren nur am Wochenende oder zwischen zwei Schichten nach Hause. Wir legen deshalb Wert darauf, dass es eine gute Verpflegungsmöglichkeit gibt, beispielsweise eine firmeneigene Kantine. So können Mitarbeitende nicht nur gesund essen, sondern es kann auch ein geselliger Austausch stattfinden.
Nicole Kölbener, Bauingenieurin bei der Marti Tunnel AG
Nicole Kölbener: Ja, wir müssen uns aufeinander verlassen können. Die grosse Herausforderung ist, Teams zusammenzustellen, die miteinander funktionieren. Unsere Mitarbeitenden haben verschiedene Nationalitäten, sprechen diverse Sprachen, bringen eigene kulturelle Hintergründe mit. Als Führungsperson bin ich erfolgreich, wenn es mir gelingt, Teams zu formen, in denen die Kommunikation gelingt und jede Person entsprechend ihren Fähigkeiten eingesetzt wird. Damit kann die Motivation aller Beteiligter gefördert werden.
Nicole Kölbener: Risiken sind ein ständiger Begleiter. Wir minimieren diese zwar, aber es gibt kein Nullrisiko. Es kann jederzeit etwas passieren. Dieser Gedanke begleitet uns. Das ist gut so, weil wir dadurch wachsam bleiben. Der Umgang mit Gefahren ist ein Prozess, bei dem wir uns stets verbessern wollen, zum Beispiel, indem wir sichere Arbeitsvorgänge, Infrastruktur und Arbeitsmittel vorsehen und die Mitarbeitenden schulen und für Gefahren sensibilisieren. Denn wenn nach 3000 Metern Vortrieb kein Unfall passiert ist, geht manchmal das Bewusstsein für potenzielle Risiken verloren und die Bauarbeitenden müssen wieder daran erinnert werden.
Nicole Kölbener: Ich bin überzeugt, dass man Grosses nur gemeinsam erreichen kann. Als Führungskraft bin ich verantwortlich, dass es gelingt, zusammen mit meinem Team Ziele zu erreichen und Visionen zu entwickeln. Dazu muss ich mit unterschiedlichen Menschen ein funktionierendes Team bilden, in dem sich jede Person entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Stärken bestmöglich einbringen und weiterentwickeln kann.
Nicole Kölbener: Eine vorbildliche Führungsperson ist authentisch, integer, gradlinig und resilient. Sie muss Menschen mögen.
Nicole Kölbener: Um gut führen zu können, muss ich vorausschauend sein. Ich muss Entwicklungen und potenzielle Schwierigkeiten möglichst früh erkennen. Gute Führung bedeutet für mich, präsent zu sein. Ich kann nicht vom Schreibtisch aus gute Führungsarbeit leisten, sondern muss mir vor Ort selbst ein Bild von der Situation verschaffen. Dazu gehört auch, den einzelnen Mitarbeitenden zuzuhören und nachzufragen, egal welche Funktion diese innerhalb der Organisation wahrnehmen. Als Führungsperson muss ich Verantwortung übernehmen. Das Schlimmste für eine Organisation ist, wenn keine Entscheide gefällt werden oder diese zu spät erfolgen. Um zu führen, muss ich bereit sein, Entscheidungen zu treffen und auch die Konsequenzen dieser Entscheidungen zu tragen.
Nicole Kölbener: In diesem Bereich arbeiten leider immer noch wenig Frauen. Für die meisten Mineure war ich daher die erste weibliche Vorgesetzte. Dies habe ich nie als schwierig erlebt. Ich sehe keinen Unterschied zwischen mir und meinen männlichen Kollegen. Wenn man Entscheidungen trifft und Verantwortung übernimmt, wird man von den Mitarbeitenden respektiert. Ist dies nicht der Fall, kann man sich auch als männlicher Vorgesetzte nicht durchsetzen.
Home / BGM in der Praxis / BGM-Praxisbeispiele / Praxisbeispiel Marti Tunnel AG
Forum BGM Zürich
c/o Prävention und Gesundheitsförderung
Hirschengraben 84
8001 Zürich
Tel. 044 634 49 75